Königsdisziplin des E-Commerce: Intralogistiklösungen für den Lebensmittelhandel
Frische, Tempo und Service-Qualität sind die Herausforderungen im klassischen, stationären Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Mit dem veränderten Konsumverhalten und dem Online-Boom im LEH entstehen zusätzliche Anforderungen, die nur mit modernster Software gelöst werden können.
Im deutschsprachigen Markt sind die ersten E-Grocery-Geschäftskonzepte (Electronic Grocery/Online Lebensmittelhandel) mit Vollsortiment bereits vor über 10 Jahren an den Start gegangen. Nicht selten belächelt und noch öfter kritisch hinterfragt: Kann man im Internet auch Lebensmittel bestellen und nach Hause liefern lassen? Und, braucht es diese Möglichkeit wirklich? Die rasante Entwicklung im Laufe des vergangenen Jahrzehnts liefert eine klare Antwort: mittlerweile erfährt die Online-Nachfrage nach Lebensmitteln einen wahren Boom. Die Corona-Krise in 2020 beschleunigte diese Entwicklung zusätzlich. Doch auch ohne den disruptiven Schub im Zuge der COVID-19-Pandemie ist die Bedeutung und Akzeptanz von E-Grocery stark gestiegen.[1]
Im Zuge der Corona-Pandemie stiegen die Online-Umsätze und sowohl die Bedeutung als auch die Vorzüge der Digitalisierung auch im Lebensmitteleinzelhandel wurden zunehmend in den Vordergrund gerückt. Ein Trend, der die gesamte Branche dauerhaft und nachhaltig verändern wird – da sind sich die Experten einig. Denn die Verbraucher haben sich zum Teil an ihr Nutzungsverhalten während der Krise gewöhnt. Momentan liegt der Marktanteil von Lieferservices im deutschsprachigen Raum bei etwa 1 %. Bis 2023 wird er laut PricewaterhouseCoopers auf beachtliche 3-4 % wachsen.[2] In der Schweiz ist der Anteil von E-Grocery mit 2-3 % bereits vergleichsweise hoch.
Die Königsdisziplin des E-Commerce
Das E-Grocery-Geschäft gilt als Königsdisziplin des E-Commerce. Die Anforderungen an Liefer- und Wertschöpfungsketten erreichen durch die Aspekte Frische, Tempo und Service-Qualität eine neue Dimension. Schließlich geht es in erster Linie darum, Lieferketten nahtlos und agil zu halten.
Neben reinen Online-Lebensmittel-Einzelhändlern, die sich als Pure Player des E-Grocery-Markts bedienen, nehmen auch E-Marketplace-Betreiber – wie zum Beispiel Amazon – Lebensmittel in ihr Sortiment auf. Zudem weiten die traditionellen Filialisten ihr Angebot verstärkt auf den Online-Absatzkanal aus und werden so zu Multi-Channel-Anbietern – online und offline.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sich Lebensmittelhändler flexibel aufstellen und mehrere Vertriebskanäle gleichzeitig bedienen.[3] Für den stationären Handel bedeutet dies ein Umdenken in der Geschäftsstruktur auf eine Kombination aus Online-Shops und Ladengeschäften, welche großes Potenzial mit sich bringt. Im Idealfall können sich die Vertriebswege gewinnbringend ergänzen. Doch lässt sich das in der Praxis tatsächlich umsetzen?
Multi-Channel – wie geht das?
Moderne Softwaresysteme schaffen die Basis, um allen logistischen Anforderungen der Lieferkette gerecht zu werden:
Durchgehende Prozessketten über die diversen Systeme hinweg: vom Online-Shop über das ERP-System, dem Warehouse Management System (WMS) bis hin zur optimalen Tourenplanung.
Sicherstellung des Lager- und Bestandsmanagements, denn die im Shop angezeigte Menge muss zu 100% verfügbar sein.
In den Warenprozessen und über alle Systeme ist das Management von Gewichtsartikeln und Preisauszeichnungen zu gewährleisten
Konsequente Verfallsdaten- und Chargennummernverfolgung
Schonendes Handling der Waren und Konsolidierung von Artikeln unterschiedlicher Temperaturzonen.
Die eingesetzten Softwaresysteme müssen zusätzliche Servicedienstleistungen abbilden können. Das sind Mehrwertdienste für den Kunden wie beispielsweise Gratisartikel oder die Abbildung kurzfristiger bzw. temporärer Aktionen.
Wie Traditionsunternehmen auf den E-Food Trend reagieren: Coop.ch
Viele renommierte Supermarktketten scheuen den Schritt zu Digitalisierung und E-Commerce – nicht so Coop. Was als kleine Konsumgenossenschaft begann, ist heute ein international tätiges Einzel- und Großhandelsunternehmen mit rund 90.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Bereits 2001 startete der erfolgreiche Online-Shop coop.ch. Mit über 150 Millionen CHF Umsatz trug die Online-Sparte des Schweizer Supermarkt-Riesen 2019 bereits 1,5 % zum Gesamtumsatz der Coop-Supermärkte (10.452 Millionen CHF) bei. [4]
Im Normalbetrieb belieferte Coop die E-Commerce Kunden von coop.ch von zwei Haupt- und zwei Neben-Lagerstandorten aus. Durch den sprunghaften Anstieg der Nachfrage während des COVID-19-Lockdowns im Frühjahr 2020 gelangte man an die Kapazitätsgrenzen. Um Lieferengpässe zu vermeiden, musste eine rasche Lösung gefunden werden. Coop setzte auf eine 2-Säulen-Strategie.
Als erste Säule definierte Coop für den E-Commerce Bereich ein eigenes Top-100-Sortiment mit den 100 wichtigsten Produkten eines durchschnittlichen Schweizer Haushalts. Mit dieser Maßnahme konnte Coop in kurzer Zeit die Komplexität aus dem im Normalbetrieb 11.000 Artikel umfassenden Online-Sortiment nehmen – ohne besondere Abstriche für den Kunden. Darüber hinaus wirkte sich die Sortimentsreduktion auch positiv auf das Einkaufserlebnis der Kunden aus, da sie beispielsweise die Auswahl vereinfachte.
Als zweite Säule plante Coop einen neuen Lagerstandort für das Top-100 Sortiment. Zeitspanne bis zur Inbetriebnahme: lediglich 14 Tage! Für diesen Kraftakt unter enormem Zeitdruck mietete Coop eine 6.000 m² große Lagerhalle an. SSI SCHÄFER unterstützte Coop und implementierte die Logistiksoftware WAMAS®. Der neue Standort musste von Grund auf mit einer IT- und Logistikinfrastruktur ausgerüstet und ans Coop Netzwerk angeschlossen werden. Die Logistikprozesse des neuen Standorts wurden bewusst möglichst einfach gehalten. Zum Beispiel entschied man sich, den Wareneingang direkt zum Kommissionierbereich zu leiten. So konnte aufgrund der schnellen Lagerdrehung auf separate Reserveflächen verzichtet werden.
Nur 14 Tage nachdem Coop bei SSI SCHÄFER nach Unterstützung angefragt hatte, fertigten mehr als 100 Kommissionierer die täglichen Onlinebestellungen ab. Die Tatsache, dass die meisten Mitarbeiter zuvor noch nie mit WAMAS® gearbeitet hatten, unterstreicht die besonders nutzerfreundliche und sehr einfache Bedienbarkeit der Software und die unkomplizierte Einarbeitungsphase.
Der E-Commerce Boom stellte den Lebensmittelhandel im Jahr 2020 vor ganz besondere Herausforderungen. Bei der Bewältigung und unter Berücksichtigung der neuen Anforderungen kristallisierte sich immer stärker heraus, dass die Digitalisierung ganz entscheidend zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen kann. Saisonale Nachfrage-Schwankungen sind in sehr vielen Branchen zu beobachten. Die Unternehmen kennen die Spitzenzeiten und bereiten sich oft über Monate darauf vor. Doch manchmal ist die Schwankung in Zeitpunkt und Intensität nicht vorhersehbar. In diesem Fall sind schnelle Lösungen, maximale Flexibilität sowie Umsetzungsstärke gefragt – und natürlich ein kompetenter Software-Partner, der sowohl die Branche als auch die kundenspezifischen Bedürfnisse versteht.
[1] Quelle: Das E-Food Buch: Märkte - Player - Strategien, Matthias Schu https://www.efoodbuch.ch/wp-content/uploads/2020/08/Auszug-Schu-2020_Das-E-Food-Buch.pdf
[2] Quelle: www.cash.at/handel/news/gastkommentar-harald-dutzler-der-leh-nach-corona-23205
[3] Quelle: Das E-Food Buch: Märkte - Player - Strategien, Matthias Schu
[4] Quelle: Das E-Food Buch: Märkte - Player - Strategien, Matthias Schu
Über den Autor:
Karl Graber ist Programmleiter bei WAMAS-Enterprise. Seine ersten Erfahrungen in der IT-Logistik machte er als Softwareentwickler für mobile Kommissionierprozesse. Als technischer Projektverantwortlicher war er anschließend zuständig für die WAMAS-Einführung im Retail- und Produktionsbereich. Aktuell betreut er als Programmleiter einen Schweizer Retailkunden bei der laufenden Erneuerung und Optimierung der IT-Logistiklösung.